Die EU-Kommission sieht in der deutschen Regelung des § 3 Abs. 7 Satz 2 der Vergabeverordnung (VgV) einen Verstoß gegen die europäischen Vergaberichtlinien und will diese Passage streichen. Der Grund: In Brüssel wird beanstandet, dass bei Planungsleistungen – anders als bei sonstigen Dienstleistungen – nur die Lose über gleichartige Leistungen zusammenzurechnen sind. Die Änderungen im Vergaberecht hätten zur Folge, dass Dienstleistungen vom Kindergarten bis zum Mehrfamilienhaus europaweit ausgeschrieben werden müssen. Die Zahl der EU-weiten Ausschreibungen würde sich voraussichtlich verzehnfachen.
Ein erkennbarer Vorteil im Sinne einer Stärkung des europäischen Binnenmarkts, der von der EU-Kommission angestrebt wird, ist nicht zu erkennen. Denn es gibt nachweislich gerade bei Planungsleistungen keinen europäischen Anbietermarkt. Die Konsequenz: Der Wettbewerb würde nicht erhöht, sondern ganz im Gegenteil eingeschränkt. Ingenieurbüros hätten noch weniger Anlass, an den ohnehin aufwendigen öffentlichen Auftragsvergaben teilzunehmen. Denn die Kosten für die Verfahren würden sich für Auftragnehmer- ebenso wie für Auftraggeberseite enorm erhöhen, die Verfahrensdauer gar verdoppeln. Städten und Kommunen stünde durch den ausbleibenden Wettbewerb ein viel kleinerer Anbietermarkt zur Verfügung.
Bisher mussten die Auftragswerte von Architekten, Tragwerksplanern und technischen Gebäudeausstattern grundsätzlich nicht addiert werden. Sollte § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV entsprechend der Ankündigung des Bundeswirtschaftsministeriums tatsächlich gestrichen werden, müssten bei der Auftragsvergabe nun auch diese Leistungen addiert werden. In Zahlen ausgedrückt: Muss bisher erst bei Herstellungskosten von ca. 5 Mio. € europaweit ausgeschrieben werden, wären dies nach der Gesetzesänderung schon ab ca. 1,5 Mio. € erforderlich.
Mit dem Gesetzgebungsverfahren reagiert die Bundesregierung auf das seit Jahren laufende Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland wegen der Auftragswertermittlung bei der Vergabe von Planungsleistungen. Anders als beim Verfahren der Kommission wegen der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI will Deutschland dieses Mal keine Entscheidung des EuGH erzwingen – zum Nachteil der Auftraggeber und der planenden Berufe.