Auf dem Kongress "Ingenieurleistungen für die Straßenbauverwaltung - Herausforderungen und Chancen im Konstruktiven Ingenieurbau" (Programm) am 11. November im Verkehrsministerium ging Verkehrsminister Winfried Hermann MdL vor rund 100 Teilnehmern vor allem auf den Bundesverkehrswegeplan ein, der inzwischen vom Bundestag verabschiedet wurde (Anmerk. der Redation). Dadurch würden in den nächsten 15 Jahren 270 Milliarden Euro umgesetzt. Baden-Württemberg erhalte dadurch jährlich etwa doppelt so viel Mittel wie bisher, ohne dafür mehr Personal und Ingenieurbüros zur Verfügung zu haben. (Interview mit dem Minister im Staatsanzeiger vom 2.12.2016)
Der Bund habe in der Vergangenheit im Straßenbau massiv gekürzt. Als Folge hätten die Länder ihr Straßenbaupersonal abgebaut - zum Teil halbiert. Ein Umsteuern gehe deshalb nicht "von heute auf morgen", sagte Hermann. Jeder, der in diesem Bereich tätig sei, wisse, wie lang man vorplanen müsse. "Alle Länder haben Schwierigkeiten, die Summen umzusetzen", sagte er mit Blick auf die nun zu erwartenden Mittel.
Die baden-württembergische Straßenbauverwaltung schaffe die zu bewältigenden Aufgaben schon lange nicht mehr allein. 90 Prozent der Arbeiten gebe sie an Private ab. "Mehr geht nicht. Es braucht in der Verwaltung ebenfalls Kompetenz, damit man weiß, was man ausschreibt. Hier haben wir schon fast eine Grenze überschritten", sagte der Minister und fasste an die Adresse der Ingenieurbüros zusammen: "Wir sind auf Ihr Know-how angewiesen."
Ministerialdirigent Dipl.-Ing. Gert Klaiber stellte die künftigen Aufgabenschwerpunkte der Straßenbauverwaltung vor (Zur Präsentation). Baden-Württemberg stünden in den nächsten 15 Jahren voraussichtlich 9,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Dies seien 600 Millionen Euro pro Jahr. 220 Millionen Euro gingen allein in die Bauwerkserhaltung. Dies erfordere zusätzliche Kapazitäten. Bei der Bauwerkserhaltung sei ein stufenweises Vorgehen erforderlich, erläuterte er. Das jährliche Volumen an Fremdvergabe-Ingenieurleistungen betrage zukünftig rund 67 Millionen Euro.
Die anstehenden Aufgaben stellten die Straßenbauverwaltung vor große Herausforderungen abgesehen von der Sicherstellung der Qualität sowie der Termin- und Kostentreue: Die Brückenerhaltung sei deutlich komplexer als der Brückenneubau. Grundsätzlich seien ganzheitliche Betrachtungen erforderlich, zudem verlange die Ertüchtigungsproblematik nach innovativen Lösungen. Besonders anspruchsvoll sei, dass beim Bauen im Bestand, der Verkehr aufrechterhalten werden müsse. Die Erlangung des Baurechts werde immer schwieriger. Hinzu komme die beschränkte Verfügbarkeit qualifizierter Ingenieure.
Dipl.-Ing. Volkhard Angelmaier, Vorstand von Leonhardt, Andrä und Partner stellte mehrere Beispiele der Zusammenarbeit zwischen Straßenbauverwaltung und Ingenieurbüro vor.
Angelmaier plädierte für ein optimales Zusammenwirken von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft. Bei einigen Brückenprojekten habe sein Büro etwa mit Wissenschaftlern Studien zur Ermüdungslast erstellt. Bei der Instandsetzung und Ertüchtigung der Kochertalbrücke wurde die Nachrechnungsrichtlinie herangezogen, die inzwischen international als wegweisend wahrgenommen werde. "Das kann ein Exportschlager werden", sagte er. Die Kochertalbrücke wurde mit dem Deutschen Brückenbaupreis 2016 ausgezeichnet.
Angelmaier riet dazu, möglichst umfassende Kompetenzen im Ingenieurbüro zu bündeln. Für wirtschaftliche Lösungen böten sich auch Vorfertigungen eines Typs an, nicht jede Brücke müsse ein Unikat sein. Für Brücken an exponierter Stelle wären allerdings Wettbewerbe die beste Lösung. Er stellte zudem Projekte aus der Schweiz vor, wo bis zur Leistungsphase 6 durchgeplant wurde.
Auf der Podiumsdiskussion debattierten neben Klaiber und Angelmaier die Beratenden Ingenieure Dipl. Ing. (FH) Frank Muhsau, Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.Ing. (FH) Jan Christoph Theobald sowie der Leitende Baudirektor Walter Katzik und Baudirektor Robert Zimmermann über Verbesserungsmöglichkeiten bei der Zusammenarbeit.
Die Diskussion ergab, dass mehr Feedback nach Abschluss der Projekte notwendig ist. Es müsse immer wieder überprüft werden, ob man noch auf dem "richtigen Weg" sei. Die Ingenieurbüros plädierten zudem dafür, sie frühzeitig in die Planung einzubeziehen, um mögliche Probleme zu erkennen und um Kapazitäten vorhalten zu können.
Aus der Straßenbauverwaltung kam der Wunsch, dass die unterschiedlichen Disziplinen mehr "zusammen denken" sollten, um "eine Planung aus einem Guss" sicherzustellen. Insbesondere wurde bemängelt, dass aufgrund der Größe der Ingenieurbüros Aufträge mit zahlreichen Dienstleistern abgeschlossen werden müssten.
INGBW-Hauptgeschäftsführer Daniel Sander kündigte vor diesem Hintergrund an, Konsortien aus kleineren Ingenieurbüros zu initiieren mit dem Ziel, Know-how zu bündeln und Newcomer einzubinden. Damit könne ein Konsortium Planung aus einer Hand anbieten, die Straßenbauverwaltung habe es dann mit nur einem Vertragspartner zu tun. Aus dem Publikum war vorher der Wunsch geäußert worden, auch Quereinsteigern eine Chance zu geben, die noch nicht explizit im Straßenbau Referenzen vorweisen könnten.
Für die Honorierung der Brückenprüfung soll künftig der VFIB-Leitfaden herangezogen werden. Grundsätzlich werde es aber auch künftig Wettbewerb geben. Die Veranstaltung von INGBW und Verkehrsministerium soll künftig jährlich stattfinden, um den Austausch aufrechtzuerhalten.