Der gemeinsame Schülerwettbewerb der Ingenieurkammern Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt setzt seine Erfolgsgeschichte fort: Zum sechsten Mal seit 2005 integrierten Lehrer das Wettbewerbsthema in ihrem Unterricht, über 2.000 Kinder und Jugendliche machten mit. Die aktuelle Aufgabe stand im Zeichen der erneuerbaren Energiequelle Wasserkraft. Ganz wie richtige Ingenieure sollten die Schülerinnen und Schüler Wasserräder entwerfen und konstruieren. In der Hochschule Rhein-Main im hessischen Wiesbaden kürten die Länderkammern Ende April gemeinsam ihre Gesamtsieger.
„Warum machen wir das? Natürlich wollen wir euch für den Ingenieurberuf begeistern!“ so wendete sich der Moderator der Gesamtpreisverleihung, Bundesingenieurkammer-Vizepräsident Ingolf Kluge, an die gespannten Nachwuchsingenieurinnen und –ingenieure im Publikum. Dies führte Ministerialrat Friedrich Janko vom hessischen Kultusministerium, weiter aus: „Es geht darum, jungen Menschen einen Raum zu öffnen, in dem sie die Faszination naturwissenschaftlicher Forschung und Erkenntnis hautnah erleben können: das Entwickeln von Ideen, die Mühe, die aufgewendet werden muss, die Ideen umzusetzen, aber auch das Verwerfen von Ideen und vor allem schließlich die Freude am fertigen Produkt.“ Er betonte, dies auch als Appell zu verstehen, die Förderung der mathematisch-naturwissenschaftlichen und technischen Fächer, die so genannten MINT-Fächer, zu stärken und die entsprechende Ausbildung weiter voranzutreiben: „Schließlich stehen wir alle in der Pflicht, einem drohenden Nachwuchskräftemangel entgegenzusteuern. Auch die hessische Landesregierung sieht sich diesem Ziel verpflichtet und wird nicht müde, MINT-Förderung im bestmöglichen Sinne zu betreiben.“
Dass dies dem Schülerwettbewerb bereits hervorragend gelingt, zeigen konkrete Zahlen: 205 Schulen aus fünf Bundesländern nahmen teil mit insgesamt 2.675 Schülerinnen und Schüler, überwiegend aus den Klassenstufen 8 und 9. Sie planten und konstruierten 944 Wasserräder, die sie bis Ende Januar bei den Länderkammern einreichten.
Baden-Württemberg machte seinem Ruf als Land der Tüftler und Erfinder alle Ehre: Hier lag die Beteiligung bei 1.836 Schülern, das sind siebzig Prozent aller. „Damit sind wir im Bundesvergleich der Teilnahme wieder mit Abstand Spitze“, freut sich Kammerpräsident Rainer Wulle. Eine logistische Herkulesaufgabe für seine Geschäftsstelle: „In Stuttgart kamen fast 700 Wettbewerbsmodelle an, die wir katalogisieren und erfassen mussten“, erinnert sich Jörg Bühler, Grundsatzreferent der Ingenieurkammer Baden-Württemberg. „Für die Lagerung musste die Kammer zeitweise extra neue Räume im Nachbargebäude anmieten“.
Auch die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt, seit drei Jahren beim Schülerwettbewerb dabei, verzeichnet deutlich steigendes Interesse. Im Vergleich zum Vorjahr wurden dort fast doppelt so viele Miniaturwasserräder eingereicht.
Im Februar und März trafen dann zunächst die Länderjurys ihre Wahl. Sie beurteilten unter anderem das kreatives Gestalten, Planen und Konstruieren. Die Wasserräder sollten innovativ sein und zur Erhöhung des Anteils regenerativer Energien aus Wasserkraft beitragen können. Ob oberschlächtiges oder unterschlächtiges Wasserrad und welche Materialien sie benutzen, stand den Erbauern frei. Außerdem sollten die Modelle eine möglichst hohe Leistung erzielen.
Zusammenarbeit der Kammern über Bundesländer hinweg
Um diese objektiv beurteilen zu können, half ein Versuchsstand, den Ernesto Ruiz Rodriguez, Professor für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Hochschule Rhein-Main Wiesbaden, bei der Gesamtpreisverleihung im Nass-Praxistest demonstrierte. Besonders begeistert war Rodriguez von der Zusammenarbeit der Kammern über Ländergrenzen hinweg: „Von den Kollegen aus dem Saarland kam der Vorschlag eines Versuchsstands. Sie haben nicht nur ein Foto geschickt, sondern die kompletten Planunterlagen dazu. So war‘s völlig unproblematisch möglich, alle Wasserräder am gleichen Versuchsstand zu testen!“
Der Funktionstest vergleicht den Wirkungsgrad der Wasserräder untereinander in Abhängigkeit vom Durchfluss (Richtwert 0,2 Liter pro Sekunde). Im Durchschnitt erbrachten die Modelle einen Wirkungsgrad zwischen 24,1 Prozent (0,241 η (Eta) und 8,8 Prozent (0,088 η). Außerdem fragten die Juroren, ob die vorgegebenen Abmessungen für Stützkonstruktion, Wasserrad und Gewindestab zur Leistungsmessung eingehalten wurden. Oder: Wie kreativ ist die Gestaltung und wie gut ist die Verarbeitungsqualität?
Starkes Medieninteresse
Ende März war es so weit: Die Landessieger in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Sachsen-Anhalt standen fest. Unter der Schirmherrschaft der jeweiligen Bildungsminister wurden die Landessieger feierlich geehrt. Die Preisverleihungen zogen das Interesse der Medien auf sich. Neben zahlreichen Artikeln in Fach- und Publikumszeitungen war der Wettbewerb Thema mehrerer Fernsehsendungen: Unter anderem berichtete das ZDF in seinen Kindernachrichten „Logo!“ von den Tests im Wiesbadener Wasserbaulabor. Ein Team des SWR porträtierte im Rahmen der „Landesschau“ die Sieger aus Baden-Württemberg beim Bau in der heimischen Werkstatt und begleitete sie während der Landes-Preisverleihung in der Stuttgarter Carl-Benz-Arena. Selbst der Deutschen Presseagentur (dpa) war der Wettbewerb so wichtig, dass sie eine Bildmeldung über ihren Ticker laufen ließ.
Danach ging es traditionell in die zweite Runde, den länderübergreifenden Wettbewerb. Hierfür messen sich die besten Wettbewerbsarbeiten aller teilnehmenden Bundesländer. Insgesamt 33 Wasserräder standen der Gesamtjury zur Wahl – allesamt technisch raffiniert, kreativ und originell.
Die Mädchen holen auf
Wie schwer die Entscheidung zwischen diesen 33 fiel, zeigte denn auch die Entscheidung der Juroren, in jeder Alterskategorie zwei zweite Plätze zu vergeben. Auch ein Sonderpreis „Originalität“ war fällig. Diesen bekam Henrike Timm aus der siebten Klasse vom Gymnasium am Schloss aus Saarbrücken. Ihr „Orchideenrad“ bestach durch Farbenpracht und originelle Bauweise. Dass die Mädchen generell immer mehr aufholen, belegt die Wettbewerbsstatistik. So zeigten im Vergleich zum Vorjahr mit 33 Prozent Mädchenanteil in diesem Schuljahr durchschnittlich schon drei Prozent mehr Mädchen und junge Frauen ihr Ingenieurtalent. Im Saarland waren es sogar rund 42 Prozent.
Gesamtsieger aller Teilnehmer bis Klassenstufe 8 wurde der 9 Jahre alte Finn Bamberger aus dem Landkreis Birkenfeld in Rheinland-Pfalz. Der Schüler der Klasse 4 der Grundschule in Niederbrombach hatte mit seinem Modell „Turbo“ durch ein hohes Maß an Verarbeitungsqualität sowie eine ausgefallene und zugleich äußerst sorgfältige Gestaltung überzeugt. Die Konstruktion ist ebenso wie die Statik des Wasserrades sehr durchdacht und funktionsfähig. „Einzigartige Gestaltung trifft bei hohem Konstruktionsniveau auf sehr sorgfältige und ausgereifte Verarbeitungsqualität. Kreativität und Präzision sowie der geschickt gewählte Materialmix runden das positive Gesamtbild ab“, bestätigt die Jury.
Das zwölfköpfige Team der Max-Eyth-Schule Alsfeld/Hessen wurde Gesamtsieger der Kategorie Klassenstufe 9. Ihr „Vogelsberger Wasserrad“ beeindruckte die Jury durch seinen hohen Grad der Verarbeitung, Langlebigkeit der Konstruktion (auch unter Testbedingungen) und die Maßhaltigkeit der Vorgaben. „Die schlichte Eleganz der Konstruktion, kombiniert mit einer durchdachten Auswahl der verwendeten Komponenten ergeben nicht nur eine harmonische optische Präsenz, sondern wussten auch im Betrieb vom Wirkungsgrad her zu überzeugen. Alles in allem ein optimal konstruiertes Modell, welches in dieser Form auch in die Realität übernommen werden könnte!“, hieß es in der Begründung.
Die jungen Preisträger nahmen die Anerkennung – vor allem in der zweiten Alterskategorie ab Klasse 9 – äußerlich zwar scheinbar gelassen hin – die glänzenden Augen verrieten jedoch den durchaus berechtigten Stolz. Und dass sich das lohnt, darin sind sich auch die Kammerpräsidenten der fünf Ingenieurkammern einig. Sie erklärten in einem gemeinsamen Statement: „Der Erfolg zeigt uns, dass der Schülerwettbewerb ein adäquates Mittel ist, junge Leute auf spielerische Art und Weise für Naturwissenschaft und Technik zu begeistern.“ Die Vorbereitungen für die Ausschreibung zum nächsten Schuljahresbeginn laufen schon.
Dokumentation des Gesamtwettbewerbs - Statistik, Sieger, Sonstige
Pressemitteilung der auslobenden Ingenieurkammern
Grußwort der Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Annette Schavan
Impressionen von der Gesamtpreisverleihung